Wer war dieser Mensch? ... Michael Wolf-Windau

Michael Wolf wurde am 5. November 1911 in Windau geboren. Er entstammte keiner der angesehenen Familien aus Windau. Ein Teil seiner Vorfahren aus der Familie Motz waren Zugewanderte. Die Familie war arm. Es gab auch arme Siebenbürger Sachsen. Im Gedicht „Heimatbauern" schreibt der 19-jährige über seine Mitbewohner von Windau ...

 

Von meiner Treppe, im Abendschein,

seh ich die Bauern jahraus, jahrein,

wie sie mit Wagen, zu Fuß und zu Pferd,

müde kehren zum eigenen Herd.

 

Sie haben mit Pflug und Sense gewerkt

Und sich aus dem Wasserkrug gestärkt,

schweißklebend die Stirne, gebräunt die Hand,

so schritten sie über das Ackerland.

 

So kehren sie heim, wenn die Sonne geht

und Abendrot über den Bergen steht;

Ein starkes, gläubiges Bauerngeschlecht,

das beides ist: Hofherr und Ackerknecht!

Zugewanderte haben sich zu allen Zeiten nur schwer integrieren können. Sie hatten kein Erbe angetreten, sie mussten immer ganz unten anfangen. Die meisten unter uns kennen dieses Schicksal. Michael Wolf war ein zartes Kind und zudem seit seinem 10. Lebensjahr behindert. Er litt an einer schweren Rückenmarkerkrankung. Sie isolierte ihn physisch von seiner Umwelt.

 

In seiner Einsamkeit führte er ein stark verinnerlichtes Leben. Sein wacher Geist stellte Beobachtungen an, die in den verschiedenen Gedichten ihren Niederschlag gefunden haben. Der Himmel, die Natur und ihre Tierwelt waren seine Freunde. Dem Vater fehlte die Arbeitskraft des heranwachsenden. Das erschwerte sein Los zusätzlich.

 

Einleitend zu dem vom Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen 1966 veröffentlichten Gedichtband erwähnen Pfarrer Günther Litschel und Peter Schuller Menschen, die für das Schaffen von Michael Wolf Verständnis aufbrachten und ihn gefördert haben.

 

Neben Besuchern aus Deutschland, die gekommen waren um die alten, besonders schönen und reich bestickten Trachten kennenzulernen, werden namentlich sein Hausarzt Georg Müller und die rund 15 Jahre älteren siebenbürgischen Schriftsteller Heinrich Zillich und Franz Karl Franchy genannt. In manchen Gedichten reflektierte Michael sein Leben. Als 19-Jähriger war er bereits gelähmt und sein Leiden als unheilbar eingestuft. Damals schreibt er ...

 

„In Hütten der Armut wuchs ich groß,

mit wortkargen Männern teilt ich das Los,

mich hat der Frühling nur scheu gegrüßt

im Hof und Garten, die Sonne umfließt.

 

Wenn im Lenz um die Hütten die Wiese blüht,

geh ich schweigend darüber und singe mein Lied;

die Seele will jauchzen, - der Blick wird warm –

ich bin in der bittersten Armut nicht arm."

Das Leben des Bauern war von harter Arbeit von Morgen bis Abend bestimmt. Viel Zeit für Zärtlichkeit gab es nicht. Auch wenn Trost gespendet wurde, war er meist sachlich in der Wortwahl und Gemütsregungen wurden nicht gezeigt. Zärtlichkeit war in unserem hart gesottenen Bauernvolk eine Seltenheit. Der kranke, arbeitsunfähige Michael war für jede noch so geringe Zuwendung dankbar. Mit seiner empfindsamen Seele konnte er der Dankbarkeit Ausdruck verleihen ...

 

Meinen Eltern

Ich liebe euch, wenn ihr die schweren Hände

am Abend müde in die meinen legt,

und schlafe ruhig im Geviert der Wände,

weil eure Sorge um mich wacht und trägt.

 

Ich liebe euch, wenn sich der Morgen weitet,

und eurem harten Leben euch verpflicht.

Dann fühle ich mich stumm euch zugeseitet

und segne euch, die ihr mir Weg und Licht.

 

Ich liebe euch, die ihr voll Schweiß und Schwielen –

und groß und größer wacht in meine Zeit;

ihr seid mir fern, und doch kann ich euch fühlen,

ich liebe euch, weil ihr barmherzig seid.