Feiern mit fröhlichem Gemüt
Nordsiebenbürger Treffen 2017 in Nürnberg
Horst Göbbel
„Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommet her zum Wasser! … Höret mir doch zu, (trinket) und esset das Gute …“ (Jesaja 55,1) Gott lädt uns ein, von uns wird lediglich das „Ja, wir sind bereit“ erwartet. So der frühere Stadtpfarrer von Bistritz Hans Hamrich, derzeit Pfarrer in
Bechtheim, Beuerbach und Ketternschwalbach (EK Hessen-Nassau) am 4. November im Festgottesdienst der St. Paul Kirche in Nürnberg anlässlich des gut angenommenen Bistritzer-Nordsiebenbürger Treffens 2017.
Seine wohltuende, klare, aufbauende Predigt kreiste zunächst um den aussagekräftigen Begriff Fernbeziehung mit den beiden Polen Freude beim Wiedersehn und Wehmut beim Abschied. Diese Fernbeziehungen stillen immer wieder unseren Lebenshunger. Im alttestamentarischen Jesajawort fand Pfarrer Hamrich auch die reformatorische Botschaft: Heil ist nicht kaufbar, allein die göttliche Gnade (sola gratia) im Lutherschen Sinne bedeutet Rettung. „Gewollt, geliebt, gebraucht“ – das sind wir bei Gott, „dessen Wort und Gnade ein wahrer fahrender, lebensspendender Platzregen ist.“ Der Gottesdienst war „wohltuend für unsere siebenbürgische Seele.“ (Dr. Franchy) Im Hirtenbrief von Bischof Reinhart Guib, von Inge Alzner klar vorgetragen, kam de facto diese Fernbeziehung zwischen Siebenbürgen und uns nochmals deutlich zum Tragen. 500 Jahre seit Martin Luthers Thesenanschlag seien es wert festzuhalten, dass auch wir „von den reformatorischen Gedanken angesteckt und im evangelischen Sinn erneuert worden“ seien. Vom Großen Sachsentreffen in Hermannstadt im August ausgehend, betonte er den großen Wert der Begegnung und wünschte uns „zum jetzigen Treffen Gottes reichen Segen, frohmachende Begegnungen, gutes Gelingen, verbindliche Ergebnisse und verbindende Gemeinschaft.“
Landsleute aus Bistritz und dem Nösnerland, Freunde der Siebenbürger Sachsen erlebten davor im Genossenschaftssaalbau am Matthäus-Herrmann-Platz eine informative Mitgliederversammlung der HOG Bistritz-Nösen mit Neuwahlen im Beisein des Bürgermeisters von Bistritz Ovidiu Crețu. Schon sein Grußwort war für uns ermutigend („Ich fühle mich geehrt, bei euch zu sein und den respektvollen Gruß des Munizipiums Bistritz zu überbringen“). Manfred Schuller, Bundesobmann des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Österreich, äußerte seine Hochachtung für das in Siebenbürgen derzeit Geleistete und erwähnte dabei den beträchtlichen Anteil der HOG Bistritz-Nösen, besonders den Aufbau und Erhalt der beispielhaften Zusammenarbeit mit dem Bistritzer Rathaus. Stadtpfarrer Johann Dieter Kraus lobte in seiner Videobotschaft die „tiefe Verbundenheit zwischen Hüben und Drüben“, blickte zurück auf 16 Jahre Dienst in Bistritz („Es waren Jahre des Segens, auch wenn nicht selten Schatten darauf fielen“), sprach u.a. vom verheerenden Brand 2008 und dem großartigen Wiederaufbau der Ev. Kirche als „Wunder von Bistritz“, würdigte den Beitrag der HOG Bistritz-Nösen und gab bekannt, dass das Projekt für die Fertigstellung der Renovierung unserer Kirche mit europäischen Mitteln genehmigt sei. „Und so Gott will und wir leben, werden wir miteinander in absehbarer Zeit unendlich viel Grund zum Dank haben. Auf dieses Fest dürfen wir uns freuen.“
Den ausführlichen Rechenschaftsbericht untermalte unser Vorsitzender Dr. Hans Franchy mit viel Fotomaterial über die Aktivitäten der letzten zwei Jahre (z.B. Teilnahme an Bistritzer Veranstaltungen – etwa Weihnachtsfeier 2016, Ostermarkt 2016 und 2017, Großes Sommermarktfest 2016 und 2017, Übergabe eines von der HOG gespendeten Erste-Hilfe-Einsatzwagens, Ausbau der Partnerschaften zwischen Bistritz und Wels sowie Wiehl, Einweihung des Denkmals von Georg Fischer, Direktor des Ev. Gymnasiums Bistritz vor, während und nach dem Bau des imposanten Gymnasialgebäudes an der Fleischerallee …). Kassenbericht (Johann Steger), Kassenprüfungsbericht (Manfred Schuller) und Neuwahl des Vorstandes (Wahlleiter Manfred Schuller) folgten. Hier das Wahlergebnis: Vorsitzender: Dr. Hans Georg Franchy, Stellvertreter: Heide Wellmann und Horst Göbbel, Kassenwart: Johann Steger, Schriftführerin und Organisationsreferentin: Annemarie Wagner, Beisitzer: Gerhard Adam, Doris Aichinger, Inge Alzner, Kathi Borsos, Ortrun Franchy, Johann Nelu Hann, Elisabeth Hoos, Günter Klein, Erich Kohlruss, Henriette Kuales, Roswitta Porth, Dr. Maria Raidel, Inge Erika Roth, Ingrid Schuller, Jost Jürgen Schneider, Johann Schuster, Hildegard Steger, Dr. Alfred Theil, Kassenprüfer: Manfred Schuller, Anneliese Adam, Ersatzkassenprüfer: Werner Klein, Martin Binder. Was unsere großen Zukunftsthemen anbelangt, stand der Wunsch der HOG und der Stadtverwaltung im Vordergrund, zum 500jährigen Jubiläum der Fertigstellung des Stadtkirchenturms das Sachsentreffen 2019 in Bistritz zu organisieren.
Am Nachmittag, nach dem Gottesdienst, begrüßten Dr. Hans Franchy (HOG Bistritz-Nösen), Inge Alzner (Kreisverband Nürnberg) und Horst Göbbel (Regionalgruppe Nordsiebenbürgen) die aus Bistritz angereisten Gäste: Bürgermeister Ovidiu Crețu mit Gattin Carmen, Kuratorin Kathi Borsos mit ihrem Ehegatten Raul und die Stellv. Forumsvorsitzende Maria Sigarteu und als Vertreter der Stadt Nürnberg den CSU-Abgeordneten Hans Werner Henning. Vor dem gemütlichen Teil des Festes mit dem passenden „Duo Magic“ erlebten wir zwei markante Grußworte. Zunächst sprach in Vertretung von Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly der Nürnberger CSU-Stadtrat Werner Henning, unser Landsmann aus Nadesch. Er betrachtet die HOG Bistritz-Nösen – wie der Bistritzer Bürgermeister - als „Bindeglied zu ihrer Vergangenheit und zu ihrer Zukunft“ sowie zu Nürnberg mit seiner starken Nösner Nachbarschaft. Und er vergleicht sie mit den Heinzelmännchen, wenn er zum Thema Kulturgutbewahrung feststellt: „Die HOG Bistritz-Nösen ist so etwas wie der inoffizielle Nachfolger der Heinzelmännchen: sie rackern und schuften, packen an, was anzupacken ist, bauen und werken, planen und organisieren und: sie ruhen nie … Sie sind die stets helfenden Hände, beim Fest unter der Eiche, beim Faschingsumzug, beim Altstadtfest in Nürnberg und in Bistritz beim mittelalterlichen Fest, Nunta Zamfirei oder beim Herbstfest.“ Bürgermeister Ovidiu Crețu gelang es anschließend mit Rückblicken auf die reiche Vergangenheit der Stadt, mit der zentralen Frage, wie man diese Stadt weiterhin zu einer blühenden europäischen Kommune machen könne, mit Hinweisen auf die Rolle der HOG Bistritz-Nösen im Zusammenhang mit den positiven Entwicklungen der letzten Jahre als großes Ziel zu formulieren: Auch wenn die Nachkommen jener Siebenbürger Sachsen, die Bistritz aufgebaut haben, nicht für immer zurückkehren, so mögen sie wenigstens zu Besuch kommen und sagen: „Ich liebe diesen Ort nicht nur, weil er schön und gastfreundlich ist, sondern vor allem weil er von meinen Vorfahren gegründet und aufgebaut wurde, Vorfahren an die ich seelisch gebunden und auf die ich stolz bin.“ Und fügte hinzu: „Ich möchte unterstreichen, dass der siebenbürgisch-sächsische Ursprung der Stadt ihren jetzigen Bewohnern mehr und mehr bewusst wird“ (deutsche Ortsschilder, deutsche Namensschilder im historischen Zentrum, neue Straßen wurden nach bekannten sächsischen Persönlichkeiten benannt, Gedenktafeln wurden angebracht und Denkmäler aufgestellt - Denkmal Georg Pfaffenbruder, die Büste des Direktors Georg Fischer, das Denkmal der Evakuierung – Ostermarktfest, Sachsentag 2010 und hoffentlich 2019 wieder). Schließlich resümierte Ovidiu Crețu: „All dieses hat den Stolz der heutigen Bistritzer Bürger geweckt, Nachfolger einer Gesellschaft zu sein, die den Grundstein gelegt hat für Erziehung und Bildung und die eine Zivilisation hervorgebracht hat, deren Werte unverwüstlich sind. Wir sind stolz auf unsere gemeinsamen Vorfahren, deren geistige Nachfolger wir sind. Die Schaffung dieses Bewusstseins ist die größte Errungenschaft meiner Amtszeit.“ All dies verdanke die Stadt in besonderem Maße der „aktiven Teilnahme der HOG Bistritz Nösen am Leben des heutigen Bistritz, das auch durch die Verleihung des Titels Ehrenbürger an Dr. Hans Franchy und an Horst Göbbel zum Ausdruck gebracht worden sei. Zu den großen Vorhaben der nächsten Zeit informierte Bürgermeister Crețu: „Die Renovierung der Evangelischen Kirche wird durch ein EU-gefördertes Projekt von 3,4 Mill. Euro voraussichtlich 2020 fertiggestellt. Das Gebäude des Evangelischen Gymnasiums wird innerhalb von 3 Jahren renoviert mit einer Summe von 8,8 Mill. Euro“ (aus dem Staatshaushalt Rumäniens und demjenigen der Stadt Bistritz - ca. 25%) und schloss mit der Feststellung: „Sie sind das Bindeglied zu der Vergangenheit und zu der Zukunft der Stadt Bistritz. Dankeschön!“ Anschließend folgte die von Dr. Hans Franchy vorgenommene, mit warmem Applaus begleitete Ehrung von Heide Wellmann und Annemarie Wagner für ihr gemeinschaftsförderndes Wirken im HOG-Rahmen. Beim Kaffee konnte man währenddessen beste siebenbürgische Kuchenspezialitäten der Bäckerei Ludwig genießen. Ein weiterer Genuss waren die takt- und kraftvoll durchgeführten Auftritte
der in nordsiebenbürgischen Tracht aufgetretenen Tanzgruppen: der „Nösner Jugendtanzgruppe“ unter der Leitung von Hanna Schuller und Inge Alzner (Tänze: Rheinländer, Rosenstock und Kettlinger) und der „Tanzgruppe der Siebenbürger Sachsen Nürnberg“ unter der Leitung von Denise Hermann und Roswitha Bartel (Tänze: „Volkstanzmedley“ und „Nagelschmied“). Die Gruppe nahm 2017 am Sachsentreffen in Hermannstadt und an der Steubenparade in New York teil. Der starke Applaus belohnte auch diese Meisterleistung unserer aktiven jugendlichen Nachkommen. Ein kräftiges Dankeschön gebührt ebenso unserem „Duo Magic“ mit ihrer schwungvollen Tanzmusik und besonders Annemarie Wagner und ihrem Organisationsteam. Hinter einem solchen Treffen steckt ja auch viel Vorausdenken und Detailarbeit, was Annemarie immer wieder gekonnt umsetzt.
Fazit: Eine Begegnung mit hochwertigen Ansprachen, mit bestem Gaumengenuss, mit feinem Tanzvergnügen war uns beschieden. Wir haben mit fröhlichem Gemüt gefeiert, haben auch diesmal ordentlich Heimatkraft getankt und sind bereit, unsere „Fernbeziehungen“ immer wieder aufzufrischen. 2019 beim Sachsentreffen in Bistritz?
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