Wissenschaft trifft Geselligkeit
Tagung der HOG Bistritz-Nösen in Bad Kissingen
„Wir wollen anknüpfen an der von euren sächsischen Vorfahren in Jahrhunderten geschaffenen, hochentwickelten, dynamischen Zivilisation mit ihrer prägnanten Architektur, mit ihren ertragreichen Bildungseinrichtungen, mit ihrem soliden Gemeinschaftssinn, und das heutige Bistritz als moderne europäische Stadt auf dem Wege des Fortschritts, des Wohlstands, der kulturellen Vielfalt in die Zukunft führen.“ So resümierte Ovidiu Teodor Crețu, Bürgermeister der Stadt Bistritz und echter Freund und Förderer der HOG Bistritz-Nösen, das Geschehen am Ende einer tiefgründigen Tagung zum Thema „Mitteleuropäische Stadt- und Kulturgeschichte am Beispiel von Bistritz und dem Nösnergau in Siebenbürgen“ in Bad Kissingen. In Zusammenarbeit mit dem Kreisverband Nürnberg lud die Heimatortsgemeinschaft Bistritz-Nösen vom 20. bis 22. November 2015 zu einem Seminar in der Bildungs-und Begegnungsstätte „Der Heiligenhof“ ein. Der Einladung folgten über 60 Gäste aus nah und fern (vorwiegend HOG-Mitglieder) und eine hochrangige Delegation von 9 Personen aus Bistritz unter der Leitung von Bürgermeister Ovidiu Crețu. Sie alle wurden am Freitagabend, dem 20. November vom Vorsitzenden der HOG-Bistritz Dr. Hans Georg Franchy und Studienleiter Gustav Binder sehr herzlich begrüßt.
Bistritz (Nösen), Mittelpunkt der Tagung, urkundlich erstmalig 1241(Mongolensturm) erwähnt, ist Stadt auf Königsboden, Handelsknotenpunkt (wichtig für benachbarte Moldau), politisches, wirtschaftliches und kirchliches Zentrum des Nösnerlandes. 1944 (Evakuierung) endet die von Deutschen geprägte Zeit. Bistritz hat heute rund 80.000 Einwohner, davon ca. 250 evangelische. Die HOG Bistritz-Nösen und die politische Gemeinde pflegen sehr gute Kontakte. Das deutsche Kultur- und Geschichtserbe wird von den heutigen Bewohnern angenommen und mustergültig gepflegt.
Die kompetenten Referenten aus Rumänien und Deutschland richteten ihren Fokus auf Bistritz und sein sächsisches Umland. Prof. hon. Dr. Konrad Gündisch (Historiker und Vorsitzender des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrats, München) führte uns im Vortrag Bistritz im Mittelalter zu dem Beginn der Stadtgeschichte im 12./13. Jh. und ortete die Position der Stadt im gesamtsiebenbürgischen Gefüge. Dr. Adinel Dinca (Historiker, Klausenburg/Cluj-Napoca) bot uns mit seinen Ausführungen zur Kirchengeschichte von Bistritz vor der Reformation: Einige Bemerkungen anhand neuerer Quellen völlig neue Einblicke in die frühmittelalterliche Paläographie und Kirchengeschichte. Vasile Duda (Kunsthistoriker und Stv. Direktor des Bistritzer Gymnasiums für bildende Kunst) ließ uns in seinem reich bebilderten Überblick Die bildende Kunst in Bistritz vom 16. bis 20. Jahrhundert den wenig bekannten Reichtum künstlerischen Lebens in Bistritz erahnen. Dr. Dr. h.c. Volker Wollmann (Museumsdirektor i.R., Obrigheim) dokumentierte tiefgründig Die Bedeutung der Forstwirtschaft in der Umgebung von Bistritz und ihre technischen Denkmale. Dr. Corneliu Gaiu blickte mit geschärftem, archäologischem Blick weit zurück, als er Bistritz am Schnittpunkt der Kulturen vorstellte. Günter Klein (Bistritzer Historiker, Freiburg) konnte mit Bistritz in alten Ansichtskarten sein wahrlich enzyklopädisches Wissen über seine Heimatstadt begeisternd ausbreiten. Horst Göbbel (Studiendirektor a.D., Stv. Vorsitzender der HOG-Bistritz) stellte die engen Stadt-Umland Beziehungen unter den Titel Bistritz und das Nösnerland – gegenseitige Befruchtungen. Schließlich ordneten Ovidiu Crețu (Bürgermeister von Bistritz) und Dr. Hans-Georg Franchy (Vorsitzender der HOG-Bistritz) mit ihrem Beitrag Bistritz in Europa, Herausforderung und Zusammenarbeit zum Wohle der Stadt das heutige Bistritz in seiner zukunftsweisenden europäischen Ausrichtung ein.
Jedoch nicht nur der Informations-und Wissensaustausch stand an diesem Wochenende im Mittelpunkt. Auch das gesellschaftliche Beisammensein war uns allen wichtig. Es wurden bereits vorhandene Freundschaften vertieft, neue geschlossen, man lernte auch neue Menschen kennen, die bisher die Arbeit der HOG Bistritz-Nösen nicht kannten.
Bereits am Freitagabend nach dem einführenden Vortrag von Prof. Dr. Konrad Gündisch überraschte uns Studienleiter Gustav Binder mit einem kleinen Empfang in der Weinstube. Bei Schmalzbrot, Zwiebel, und gutem Wein kam man schnell ins Gespräch, und es dauerte nicht lange, bis Traugott Emrich seine Mundharmonika hervorzauberte. Bereits bei den ersten Tönen stimmten alle mit ein, und es wurde ein sehr lustiger Abend. Das Eis war gebrochen, und es gab keinen, der sich nicht gut aufgenommen fühlte.
Am Samstag reihten sich die sechs Vorträge wie Perlen auf einer Schnur aneinander, einer interessanter als der andere. Es blieb zwischendurch sogar Zeit für eine kleine Führung durch das sonnige Bad Kissingen, die Gustav Binder übernahm und der sich gern auch unsere rumänischen Gäste anschlossen. Nach dem Abendessen, nach so vielen Informationen tagsüber, hatten wir viel zu erzählen oder unsere Verwunderung über unsere Kultur kundzutun. Jeder hat Neues erfahren oder Bekanntes vertiefen können. Musikalische Begleitung auf hohem Niveau bot das „Magic Duo“ aus Nürnberg. Rumänische Romanzen, Volkslieder oder moderne Popmusik, rumänische oder deutsche Walzer, Tangos, Twist oder aktuelle Rockmusik und Tanzhits ließen den ganzen Raum zur Tanzfläche werden. Gemeinsames Singen geselliger Lieder erhöhte die Begeisterung, den Schwung, die Freude gemeinschaftlichen Erlebens.
Herzlicher Dank ergeht hier an alle Frauen, die uns diese Tage mit Kuchen versüßt haben, an unsere „gute Seele“ Anny Wagner, die für uns am späten Samstagabend noch ein herrliches Mooser-Buffet mit leckeren sächsischen Köstlichkeiten zauberte, an Elisabeth Hoos mit dem feinen rheinhessischen Wein und Gustav Binder, der uns mit hervorragendem Frankenwein aus der Tagungsstätte versorgte. Natürlich hatten unsere rumänischen Gäste die Bistritzer Zuika nicht zu Hause vergessen.
Eine sehr ergreifende Morgenandacht am Sonntag, gehalten von Horst Göbbel, und ein Diskurs von Bürgermeister Ovidiu Crețu und Dr. Hans-Franchy über Herausforderungen und Zusammenarbeit zum Wohle der Stadt Bistritz heute und in der Zukunft mit abschließender Diskussion rundeten dieses erlebnisreiche Wochenende ab. Inspirierend, oft auch betont schalkhaft, gelang Ovidiu Crețu dabei eine überzeugende Offenlegung von komplexen kommunalpolitischen Zusammenhängen, wobei sein Pragmatismus und seine Wertgebundenheit, seine klare Linie in puncto Stadtentwicklung unter europäischem Dach sowie seine standfeste Haltung, seine betont moderne Auffassung auch im Bereich Zusammenleben und Zusammenwirken unterschiedlicher ethnischer, konfessioneller oder kultureller Gruppen im gegenwärtigen und zukünftigen Bistritz beispielgebend bleiben. „Bistritz kann keine europäische Zukunft haben ohne die umfassende Nutzung des mittelalterlichen deutschen Zentrums“, betonte er und lud zum Besuch von Bistritz ein.
Vor der Abreise bezeugten viele Teilnehmer ihr Wohlgefallen an der hier angetroffenen und gefundenen Gemeinschaft. Dr. Hans-Georg Franchy gebührt unser Dank für die Mühe, uns mit so guten Vortragenden und dem vortrefflichen Ambiente zu belohnen.
Wir sind sicher, dass dieses nicht das letzte Seminar war, das über das Haus des Deutschen Ostens vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration gefördert wurde und freuen uns heute schon, beim nächsten Mal wieder dabei zu sein.
Roswitta Porth/Horst Göbbel/Dr. Hans Georg Franchy
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