Obergymnasium-Bistritz01Vom Evangelischen Obergymnasium A.B. zum Nationalkolleg „Liviu Rebreanu". In Bistritz feierte man am 19. Mai 2011 das hundertste Schuljahr im Schulgebäude auf der Fleischerallee (heute Bulevardul Republicii).

 

Das neue Gebäude des Evangelischen Obergymnasiums A.B. in Bistritz wurde im Frühjahr 1910 fertiggestellt, und am 8. September 1910 zog man feierlich vom alten Schulgebäude, das sich auf dem Marktplatz neben der Evangelischen Stadtpfarrkirche befand, in das neue Gebäude auf der Fleischerallee. Die HOG Bistritz-Nösen hat bereits im letzten Jahr dieses Ereignis gefeiert, als im Rahmen des Sachsentreffens, das vom 17. -19. September 2010 in Bistritz stattfand, eine Gedenkfeier in der Aula des Gymnasialgebäudes veranstaltet wurde.

 

Ein Jahrhundert Schule · Un secol de şcoală

Am 19. Mai 2011 wurde nun ihm Rahmen eines großen Schulfestes dieses Ereignisses erneut gedacht, wobei das Schulfest unter folgendem Motto stand: Un secol de şcoală: de la gimnaziul Evanghelic C.A. la Colegiul Naţional „Liviu Rebreanu" Bistriţa" (Ein Jahrhundert Schule. Vom Evangelischen Gymnasium A.B. zum Nationalkolleg „Liviu Rebreanu" Bistritz).

 

Obergymnasium-Bistritz02In Anlehnung an den Marsch vom 8. September 1910 formierte sich am Vormittag des 19. Mai 20 eine Marschkolonne unter Polizeieskorte, am Marktplatz, an der Stelle, wo das alte Gymnasialgebäude stand, um über die Holzgasse, den Rossmarkt und die Fleischerallee zum neuen Gymnasialgebäude zu marschieren.

 

 

Obergymnasium-Bistritz05 Die Marschkolonne bestand aus Schülern aller Klassen, die voller Stolz ihre Uniformen trugen. Im Gegensatz zu den Schuluniformen aus kommunistischer Zeit, die wir damalige Schüler ablehnten und eher als Häftlingskluft empfanden (auch wegen der persönlichen Nummer, die am Ärmel angebracht war), werden die heutigen Uniformen von den Schülern gerne getragen, zumal sie die Zugehörigkeit zu einer Eliteanstalt (das Nationalkolleg „Liviu Rebreanu" gehörte 2010 zu den 10 besten Schulen Rumäniens) deutlich machen. Außerdem werden durch die Uniformen soziale Unterschiede kaschiert, die sonst durch das Tragen vor Markenkleidung zum Ausdruck kämen.

 

Völlig neu waren für den Verfasser dieses Beitrags die Talare der Schüler der zwölften Klasse, die vermutlich nach dem Vorbild der nordamerikanischen Colleges geschneidert wurden. Eigentlich hätte der Marsch über die Beutlergasse und das Fleischertürlgässchen gehen müssen, doch letzteres war wegen Bauarbeiten für den Verkehr gesperrt, so dass man sich über die Holzgasse, den Rossmarkt und die Fleischerallee zum Gymnasialgebäude begab.

 

Obergymnasium-Bistritz03An der Spitze des Umzugs befand sich eine Abordnung von Fahnenträgern, die neben der rumänischen Nationalflagge und der Europaflagge auch das Replikat einer sächsischen Zunftfahne mittrug, vermutlich um den Beitrag des sächsischen Handwerks beim Bau des Gymnasialgebäudes zu unterstreichen. Den Fahnenträgern folgte ein Trommlerzug in mittelalterlichen Kostümen, zu dessen Trommelschlag der Festzug marschierte.  Teil des Festzuges waren auch Trachtengruppen in sächsischer und rumänischer Tracht. 

 

Am Gymnasium angekommen, begab sich der Festzug in den Innenhof des Gebäudes, wo eine Bühne aufgebaut war, auf der zahlreiche Ehrengäste Platz genommen hatten.

 

Begrüßung durch Professor Constantin Rus

Professor Constantin Rus, Direktor des Nationalkollegs „Liviu Rebreanu", begrüßte die Ehrengäste u.a. die aus Bukarest angereiste Staatssekretärin im Erziehungsministerium, Oana Badea, den Präfekten des Kreises Bistritz-Nassod, Cristian Florian, den Kreisratsvorsitzenden, Liviu Rusu, den Bürgermeister der Stadt Bistritz, Ovidiu Teodor Creţu, den Landeskirchenkurator der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, Professor Friedrich Philippi, den evangelischen Stadtpfarrer A.B. von Bistritz, Johann-Dieter Krauss, den Vorsitzenden des DFDR (Filiale Bistritz), Eckehardt Zaig sowie die Vertreter der HOG Bistritz-Nösen, Michael Weihrauch und Günter Klein.

 

Die Festveranstaltung & Reden

Nun begann die eigentliche Festveranstaltung, die fast drei Stunden dauern sollte. Alle Ehrengäste hielten längere oder kürzere Ansprachen und wurden von Schuldirektor Rus mit einem Ehrendiplom aus Anlass der 100-Jahr Feier geehrt.

 

Günter Klein

Obergymnasium-Bistritz06Eine besondere Ehre wurde den Vertretern der HOG Bistritz-Nösen zuteil, die die Ansprachen eröffnen durften. Günter Klein überbrachte die Grüße des HOG-Vorsitzenden, Dr. Hans Georg Franchy, sowie die Grüße des stellvertretenden Vorsitzenden, Studiendirektor a.D. Horst Göbbel, beide Absolventen der deutschen Abteilung des Lyzeums Nr. 1 in Bistritz und später Lehrer an der deutschen Abteilung des Lyzeums „Liviu Rebreanu".

 

Am Ende seiner kurzen, auf Rumänisch gehaltenen, Ansprache gab Günter Klein seiner Hoffnung Ausdruck, „dass dieses herrliche Gebäude in kürzester Zeit renoviert wird, damit es wieder in jenem Glanz erstrahlt, in dem es vor 100 Jahren erstrahlte, als es von unseren siebenbürgisch-sächsischen Vorfahren in Betrieb genommen wurde". Anschließend überreichte Michael Weihrauch Direktor Constantin Rus eine Gendenkplakette im Namen der HOG Bistritz-Nösen.

 

Ovidiu Creţu

Besondere Aufmerksamkeit erregte die Ansprache des Bistritzer Bürgermeisters Ovidiu Creţu, der wie schon auf dem Sachsentreffen im September letzten Jahres geschehen, erneut betonte, dass er sich als Nachfolger der sächsischen Bürgermeister von Bistritz betrachte, besonders stolz sei er auf seinen Amtsvorgänger Franz Schreiber, der die Geschicke der Stadt Bistritz im Zeitraum 1907-1919 leitete, und in dessen Amtsperiode Bistritz zu einer modernen Stadt wurde, da es eine Kanalisation und ein Wasserleitungssystem erhielt, elektrischer Strom eingeführt, sowie das erste Kino in Bistritz eröffnet wurde und nicht zuletzt das neue Gymnasialgebäude auf der Fleischerallee entstand.

 

Bürgermeister Creţu betonte, dass die Bistritzer Sachsen den höchsten Kirchturm Siebenbürgens errichteten, die erste Ackerbauschule Siebenbürgens eröffneten, sowie das schönste Schulgebäude des Landes bauten, „weil sie den Willen dazu hatten!"

 

Die Bukarester Ehrengäste brachte er zum Schmunzeln, als er ihnen mitteilte, dass das Evangelische Obergymnasium A.B. bereits 1531 gegründet wurde, das bedeutendste Gymnasium der Donaufürstentümer, das Bukarester Nationalkolleg „Sf. Sava", hingegen erst im Jahr 1688. Zudem kündigte Bürgermeister Creţu an, drei Straßen im Neubauviertel jenseits der Budaker Brücke nach Georg Fischer, Friedrich Kramer und Franz Schreiber zu benennen.

 

Johann-Dieter Krauss

Der evangelische Stadtpfarrer A.B., Johann-Dieter Krauss, wies in seiner Ansprache darauf hin, dass in dem Schulgebäude bis 1944 das Evangelische Gymnasium A.B. seinen Sitz hatte, dass das Gebäude nach 1945 von den totalitären Machthabern willkürlich enteignet wurde, und dass die evangelische Kirche A.B. seit 2006 ihren rechtmäßigen Besitz wieder erlangt habe.

 

Es sei für die evangelische Kirchengemeinde in Bistritz selbstverständlich gewesen, dieses Gebäude im Geiste einer 600-jährigen Tradition weiterhin als Schulgebäude zu nutzen. Deswegen habe man das Gebäude der Stadt Bistritz auf die Dauer von 99 Jahren verpachtet, unter der Auflage es zu restaurieren und für den Erhalt der deutschen Abteilung Sorge zu tragen.

 

Professor Friedrich Philippi

Landeskirchenkurator, Professor Friedrich Philippi, überbrachte die Grüße und Segenswünsche des Landesbischofs der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, Reinhart Guib und betonte, „dass wir in Hermannstadt ein derartiges Schulgebäude nicht haben".

 

Neue Hymne "Liviu Rebreanu"

Nach dem Ende der Ansprachen wurde die neue Hymne des Nationalkollegs „Liviu Rebreanu" vorgestellt, interpretiert von der Band „Hara", deren Leadsänger ein ehemaliger Schüler des Nationalkollegs ist. Während sich die Ehrengäste in das Lehrerzimmer begaben, um dort bei einem kleinen Umtrunk das Jubiläum ausklingen zu lassen, feierten die Schüler im Innenhof bei Live-Musik bis in die Abendstunden.

 

Zwei Gedenktafeln

Obergymnasium-Bistritz04Aus Anlass des Jubiläums hat die Schulleitung in der Eingangshalle zwei Gedenktafeln anbringen lassen. Auf ihnen wird der Schöpfer des neuen Gymnasialgebäudes, Gymnasialdirektor Georg Fischer und Stadtpfarrer Friedrich Kramer gedacht, sowie auf den Umzug und die Entstehungsgeschichte des neuen Gymnasialgebäudes hingewiesen.

 

Jubiläumsband "După 100 de ani ..."

Zudem wurde ein Jubiläumsband herausgegeben mit dem Titel „După 100 de ani. De la Gimnaziul Evanghelic C.A. la Colegiul Naţional „Liviu Rebreanu" (Nach 100 Jahren. Vom Evangelischen Gymnasium A.B. zum Nationalkolleg „Liviu Rebreanu"). Darin wird auch der Geschichte des evangelischen Gymnasiums A.B. und der deutschen Abteilung des Nationalkollegs „Liviu Rebreanu" Platz eingeräumt.

 

Leider hat man bei der Schreibweise der deutschen Namen wenig Sorgfalt geübt, so dass die meisten Namen falsch geschrieben sind, oder in verschiedenen Schreibweisen im Buch vorkommen. In diesem Fall muss man den guten Willen für die Tat nehmen. Besser wäre es gewesen, man hätte die in Deutschland lebenden ehemaligen Lehrer der deutschen Abteilung zu Rate gezogen.

 

Deutsche Sprachdiplome vergeben

Obergymnasium-Bistritz07Dass die deutsche Abteilung des Nationalkollegs „Liviu Rebreanu" nicht nur ein Schattendasein fristet, wurde am frühen Nachmittag deutlich, als im Anschluss an die Jubiläumsfeierlichkeiten in der Eingangshalle die Sprachdiplome an 22 Schüler der deutschen Abteilung von dem aus Deutschland stammenden Fachschaftsberater, Hubert Gronen, Deutschlehrer am Brukenthal-Gymnasium in Hermannstadt, überreicht wurden.

 

Dieses Sprachdiplom (17 Schüler bestanden es mit der Qualifikation C1, 5 mit B2) ermöglicht den Inhabern dieses Diploms sofort ein Studium an einer deutschsprachigen Universität zu beginnen, ohne vorher ein Sprachkolleg besuchen müssen, wie das normalerweise bei ausländischen Studenten in Deutschland üblich ist. Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Schüler der deutschen Abteilung in Bistritz das beste Ergebnis aller siebenbürgischen Schulen mit deutscher Unterrichtssprache erzielt haben.

 

Abschließend bleibt nur noch zu hoffen, dass man unverzüglich mit der Restaurierung des Gymnasialgebäudes beginnt, denn die Gebäudesubstanz befindet sich im Jubiläumsjahr leider ein einem sehr schlechten Zustand.


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Autor: Günter Klein

Bildmaterial & Fotos: Günter Klein, Michael Weihrauch