wir-noesner-wolf-windau-michael-01Vortrag von Kurt Egon Franchy, Pfarrer i.R.
gehalten am 23. November 2011 im Gemeindehaus Drabenderhöhe.

Wer kennt Michael Wolf-Windau?

Wer, außer den mit diesem Ort verwurzelten Menschen weiß, was Windau ist? Versuchen wir uns Windau vorzustellen. Windau ist ein Ort in Siebenbürgen.

 

Also mache ich die Suchmaschine „Google" auf. Doch Windau habe ich im Internet nicht gefunden. Ein Glück, dass ich den Ort mit rumänischem Namen kenne: Ghinda. Heute ein Vorort von Bistritz. Die ungarische Bezeichnung lautet: Vinda. Über Windau kein Wort. Ich nehme das LEXIKON der Siebenbürger Sachsen zur Hand. Hier steht, dass Windau 5 km östlich von Bistritz zu finden ist. Die „Windau" ist von Bergen eingeschlossen. Soviel im Internet.

 

Also suche ich in den Heimatbüchern. Davon gibt es drei. Pfarrer Johann Bredt, Pfarrer Günther Litschel und Michael Csellner haben Aufzeichnungen über die Geschichte des Ortes und der Kirchengemeinde verfasst. Die Quellen zur Geschichte von Windau hat Pfarrer Georg Keintzel erschlossen. Windau wurde erstmals 1332 urkundlich erwähnt. Michael Csellner, ein treuer Windauer und späterer Kirchenvater in Bistritz schrieb das Buch „Windau...Es war einmal". Daraus kann man schließen, dass es das deutsche, bzw. sächsische Windau nicht mehr gibt. Aus den Aufzeichnungen der Genannten erfahren wir Einiges. Doch befassen wir uns mit der jüngeren Geschichte.

 

Die jüngere Geschichte Windaus

Windau hatte 1941 597 Einwohner, davon 334 Deutsche, oder 55,9%. Dort lebten 263 Rumänen, 87 evangelische Zigeuner, 15 weitere Zigeuner und 5 Juden. Mit einem Wort: Eine sehr kleine sächsische Gemeinde. Doch was viele sächsische Windauer auszeichnete, war ihr Fleiß. Sie hatten immer gute Lehrer. Die Nähe zur Stadt bot wirtschaftliche und kulturelle Vorteile. Öfter besuchten Windauer Bistritzer Schulen und das Gymnasium. Die Windauer genossen ein gutes Ansehen in Bistritz und Umgebung.

 

Im Herbst 1965 wurde ich Stadtpfarrer in Bistritz und die Betreuung der wenigen Windauer, die nach der Evakuierung von 1944 in ihre Gemeinde zurückgekehrt waren, oblag mir. Also kehrte ich einmal monatlich bei Familie Eichhorn ein. Vater Eichhorn war Kurator und Hüter der Kirche. 14.00 Uhr war Gottesdienst in der dortigen Kirche. Meine Mutter begleitete mich und spielte die Orgel. Zur Gemeinde zählten weniger als zehn Siebenbürger Sachsen. Gewöhnlich waren alle im Gottesdienst. Eines Tages erhielt die Familie Eichhorn die Ausreisegenehmigung. Andere waren bereits in den Westen ausgewandert. Damit hatte sich mein Betreuungsauftrag erledigt.

 

Aus einer rumänischen Ortschaft zogen in späteren Jahren drei alte Frauen in ihr Elternhaus zurück. Ein Redakteur der „Kölner Rundschau", Oliver Klöck, wollte wissen, warum die nordsiebenbürger Sachsen ihre Heimat verlassen hatten. Er besuchte auf seiner Reise auch die drei Frauen. Sie berichteten Robert Gassner, der Gebietsleiter in der Zeit von 1940 bis 1944 war, habe die Evakuierung aller Sachsen angeordnet. Später habe der Stadtpfarrer Franchy die Familienzusammenführung betrieben und habe selbst die Gemeinde verlassen.

 

Den letzten Gottesdienst dürfte ich um das Jahr 1972/73 gehalten haben. Die Kirche war baufällig. Eine Gemeinde gab es nicht mehr. Die rumänisch-orthodoxen Gemeindeglieder hatten schon früher eine eigene Kirche gebaut. Im baufälligen Turm hingen drei wohlklingende Glocken. Eines Tages erschien Pfarrer Ludwig Klaster mit einer Mannschaft aus Urwegen und baute die Glocken ab. In Urwegen dachte man damals noch nicht an Auswanderung. Gemäß der geltenden Kirchenordnung war das mobile und immobile Vermögen aufgelöster Kirchengemeinden in das Vermögen der Landeskirche eingeflossen.

 

Ein schweres Erdbeben am 4. März 1977 setzt der Kirche in Windau schwer zu. Sie stürzte ein und wurde wenige Jahre später geschleift. Windau teilt das Loos mit anderen Orten aus Nordsiebenbürgen. Manchenorts erinnern sich nur noch ältere Rumänen daran, dass es in jener Landschaft deutschsprachige Menschen gab. Nur intellektuelle Kenner sind davon beeindruckt, dass hier deutsche Menschen ihre Identität über 800 Jahre, ihre aus deutschen Landen mitgenommene Sprache und Kultur gepflegt und bewahrt hatten. Der Name Windau wird in Zukunft wohl nur noch in Urkunden und im Zusammenhang mit Michael Wolf-Windau auftauchen. Michael Wolf machte dem Namen Windau Ehre, und ihn dadurch unvergesslich.