„So sei nun dieser Turm mit Aufzug als Aussichtsturm unter den Schutz und Segen Gottes gestellt. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes. Er segne alle die hier ein und ausgehen, rauf- und runterfahren, Ausschau halten und bewundern."

 

Mit diesen Worten weihte Landesbischof Reinhart Guib nach einem wegweisenden Gottesdienst am 31. März 2012, dem Tag, an dem erstmals in Rumänien, genauer „erstmals zwischen Moskau und Wien" (Bürgermeister Teodor Ovidiu Cretu) in einem Kirchturm ein Aufzug seiner Bestimmung übergeben wurde.

 

„Die Kirche in Bistritz ist zum Zeichen dessen geworden, was erhalten werden muss ..."

Dies war einer der Sätze aus der wegweisenden Predigt von Landesbischof Reinhart Guib beim großen Festgottesdienst in der Evangelischen Stadtpfarrkirche in Bistritz am 31. März 2012, der aufhorchen ließ.

 

Als am 11. Juni 2008 der gleiche Turm lichterloh brannte, Glocken, Turmuhr, Balken, Treppen, das Turmdach selber zu Asche wurden und nur ein rußschwarzer gewaltiger Schlot anstelle des höchsten siebenbürgischen Kirchenturms übrig blieb, da musste man annehmen, es sei alles vorbei, auch das imposante Sinnbild jahrhundertealter siebenbürgisch-sächsischer Präsenz in Nordsiebenbürgen.

 

Heute, knapp vier Jahre später, sieht die Kirche ganz anders aus. Dies veranschaulichte im Festgottesdienst in besonderem Maße die klare Predigt von Bischof Reinhart Guib. Ihr Ausgangspunkt war ein Wort aus Kapitel 12 aus dem Brief an die Hebräer: „Lasset uns aufsehen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens ...".

 

Am 11. Juni 2008 blickten viele voller Schrecken, voller Angst, voller Grauen auf den lichterloh brennenden Turm, ein makabres Schauspiel. Wenn wir zurückblicken, auf Flucht, Vertreibung, Evakuierung, Deportation, auf den furchterregenden Brand wird uns bange.

 

„Wir Menschen haben oft einen verstellten Blick" auf unsere Welt, auf uns, auf unsere Vergangenheit, auf unsere Zukunft. „Der Turmbrand bestätigte vermeintlich in tragischer Weise, dass alles zugrunde geht. ... Solches Zurücksehen kann schwermütig machen." Sogar nach vorn blicken, ist z. T. auch nicht ermutigend für unsere Gemeinschaft.

 

„Was soll aus der Familie, aus der Gemeinde, aus der Kirche werden?" fragte Bischof Guib eindringlich. „Man könnte verzweifeln." Wir blicken auf Wirtschaftskrise, auf Kummer und Armut, Unzufriedenheit, Ungerechtigkeit, Rechtsbruch, Korruption, Unberechenbarkeit - Resignation, wohin man auch blickt. ...

 

Unser Selbstwertgefühl ist schwach, wir sind überfordert – all das sind menschliche, kurzsichtige Blicke, die uns hinabziehen. „Der rechte Blick jedoch zieht uns hinauf, hebt uns empor, macht uns mutig und unverzagt, macht uns getrost und froh. Und das ist der Blick auf Jesus. Sinnbildlich dafür ist hier in Bistritz dieser Turm, der aus der Asche wiederaufgebaut wurde, ein Hinweis auf Jesus, den Anfänger und Vollender unseres Glaubens. Gott hat eindeutig noch etwas vor mit unserer Kirche!"

 

Und schließlich ebenso klar und deutlich:„Wir brauchen den Blick nach oben, mit Gottvertrauen, diakonisch, ökumenisch, nachbarschaftlich, nachhaltig, wir brauchen den Blick auf Jesus, der uns die Kraft verleiht, weiter zu machen ..."

 

In diesem Sinne geschehen nach dem großen Brand wahre Wunder:

Heute steht der Turm mit seinem neuen Kirchendach, mit seiner neuen Uhr, mit seinen neuen Glocken und – wie angeführt – mit einem neuen Aufzug bereit, Menschen einen neuen Blick zu ermöglichen. Den Blick aus der Vogelperspektive, den Blick von oben auf das von Menschen geschaffene und ständig in Veränderung begriffene Bistritz, seine Umgebung.

 

Dabei stellt sich bei jedem Betrachter von der Galerie aus eine neue Perspektive, eine neue Sicht der Dinge, ein wahres Hochgefühl ein. Wir sehen vom Turm aus, wie herrlich Gott unsere beschützenswerte Welt geordnet hat und nähern uns auch dem Blick auf uns selber, mit den Augen Gottes.

 

Unmittelbar nach dem Gottesdienst folgte der große Augenblick: Weihe des Turms und des Aufzugs im Beisein von Bürgermeister Ovidiu Creţu und weiterer hoher Gäste aus Österreich und Deutschland, unter ihnen Michael Schwarzinger, Botschafter der Republik Österreich in Bukarest, Alfred Johannis vom Deutschen Generalkonsulat in Hermannstadt, Udo Pusching, Vertreter der Kärntner Landesregierung, Dr. Hans-Georg Franchy, Vorsitzender der HOG Bistritz-Nösen und Ehrenbürger der Stadt Bistritz.

 

„Voller Freude", bekannte Bischof Guib, „haben wir uns heute hier versammelt, um Zeugen dessen zu sein, was unser Herrgott durch uns geschehen lassen kann. Nach den großen Renovierungsarbeiten am Kirchen- und Turmdach, dem Guss und der Einweihung der Glocken sind wir heute Zeugen einer neuen Rettungstat und zugleich der Übergabe und der touristischen Inbetriebnahme nationalen Kulturguts.

 

Die ev. Kirche A.B. in Rumänien begrüßt explizit die Renovierung dieses Turms und seine Gestaltung als Glockenturm und zugleich als Aussichtsturm für das breite Publikum durch seine Ausstattung mit einem Aufzug. Wir sind entzückt und sehr dankbar für diese dem Turm verliehene Perspektive, ihm, dem Wahrzeichen von Bistritz, dem höchsten und ersten Turm im Land mit einem Aufzug."

 

Das zunächst als gewagt angesehene große Projekt des Bistritzer Bürgermeisters Creţu, den Turm mit einem Aufzug zu versehen, hat seine vielfachen Hürden genommen. Er, die Stadt kann darüber stolz sein.

 

Bischof Guib stellte seine Ansprache unter zwei treffende Bibelverse: Der erste aus Psalm 106 („ Halleluja! Danket dem Herrn; denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich. Wer kann die großen Taten des Herrn ausreden und alle seine löblichen Werke preisen?") der zweite aus dem Brief an die Efeser 2, 18-22 („Denn durch Jesus Christus haben wir den Zugang in einem Geiste zum Vater ... erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn ...") und betonte: „Dir, Herr, Hilmmlischer Vater, danken wir, dass du dieser Restaurierungsarbeit des Turms und dem Einbau des Aufzugs Erfolg beschieden hast.

 

Wir bitten Dich, segne alle Mitarbeiter und Geldgeber dieses großartigen Projekts. Vertiefe auch durch diese Arbeit die Beziehungen und das gute Einvernehmen zwischen den Kirchen, Institutionen und Behörden, zwischen Konfessionen, Ethnien und Generationen. Schenke diesem Turm, dass diejenigen die zu neuen Höhen begleitet werden, sich der neuen, geschenkten Perspektive erfreuen und dass sie Dir danken für alle Wunder, die Du uns durch Deine Schöpfung und die menschliche Tätigkeit erfahren lässt.

 

Beschütze und verleihe Deine Gnade allen, die hier eintreten, hinauffahren, Ausschau halten, herunterfahren von diesem Ort, durch Jesus Christus, unseren Herrn." Im Anschluss an die Einweihung fuhren die Ehrengäste hoch zur Turmgalerie und bewunderten Bistritz von oben. Erhebende Momente. Vor, während, nach der Einweihung.

 

→ Bildergalerie von Michael Weihrauch, Nürnberg


Autor: Horst Göbbel

Bilder: © Michael Weihrauch, Nürnberg